2. Juli 2015 18:30h Watson Lake
Ich erwache um 5 Uhr, wegen dem Regen der an mein Aussenzelt trommelt. Fast so als wolle er sagen, jetzt bis du noch in Sicherheit aber schon bald mache ich dich nass. Eine Stunde später läutet der Wecker, doch es ist eine Utopie jetzt aufzustehen. Weder Körper noch Geist sind zu so einem Kraftakt im Moment in der Lage. Das Trommelgeräusch ist weg und schon driftet der Geist wieder weg in die Traumwelt. Eine Stunde später muss der Geist, dem Körper dann befehlen sich zu bewegen. Ich packe meinen Kramm zusammen und koche Poridge mit Kaffee. Geht alles ein bisschen länger heute. Um 9 Uhr ist dann alles bereit und genau für diesen Moment hat sich Petrus einen grossen Spass überlegt der alte Witzbold. Es beginnt nämlich zu hageln. Ich stelle das Velo unter ein Vordach und gehe ins Restaurant. Ein Kaffee trinken und die Sache aussitzen. Die alte Dame überredet mich zum Kaffee noch ein Muffin zu essen und ich muss sagen der schmeckt ganz ausgezeichnet. Wir plaudern noch ein wenig. Als es ums Zahlen geht, winkt sie ab und gibt mir noch zwei Muffins mit auf den Weg. Sie wünsche mir eine gute Fahrt und ich soll vorsichtig sein. Aus Schlecht wird super Gut in nur einer halben Stunde.

Ich fahre los und wie ich los fahre. Ein Geschenk der Natur nimmt man dankend an. Rückenwind, der absolute Hammer. Es ist wie gleiten auf einer Welle, nicht das ich wüsste wie sich das anfühlt, aber ich stell es mir so vor, ein mitgleiten mit dem Wind, ein mit surfen. Ich halte erst nach 30km an um kurz was zu essen.
Nach 64km kommt mir ein Radfahrer entgegen. Eigentlich will ich gar nicht mit dem reden, denke ich, doch er fährt rüber auf meine Strassenseite. Weshalb, meistens geht es nur darum wie lange du schon unterwegs bist und wohin du fährst. Auf gut deutsch, wer denn der krassere Velofahrer von beiden ist. Kindisch, blödes Machogehabe. Er stellt sich als Chris Graham vor. Ich habe Mühe ihn zu verstehen, denn britisch englisch bin ich nicht gewöhnt. Wir machen etwas Smalltalk und irgendwie ist mir dieser Chris von Anfang an sympatisch. Er hat 23 Jahre in der Britischen Army gedient, auch in Konfliktgebieten. Der ist sicher kein Weichei und schläft auch nur auf Campgrounds. You know, those big Grizzlies are out there! Was soll ich sagen, endlich ein Velofahrer der es so macht wie ich. Seine weiter Geschichte ist nun aber sehr traurig. Er ist aus dem Militär ausgeschieden, weil er Alzheimer hat. Noch ist es nicht ausgebrochen, aber er habe das entsprechende Demenz-Gen. Er macht die Veloreise um Geld für die Alzheimerforschung zu sammeln. Wie soll ich so einen Menschen nennen, ein wahres Vorbild, einer der nicht Aufgibt, ein dem Tode geweihter Kämpfer, für mich ein Held. Ich bin auf der weiteren Fahrt sehr nachdenklich. Alles worüber ich mich schon aufgeregt habe und dann begegne ich einem der an einer solchen Last nicht zerbricht, nein das Feuer in ihm brennt nur noch heller, noch strahlender.
Die Internetseite von Chris Graham für diejenigen die es interessiert:
http://www.thelongcycleround.co.uk/
In Watson Lake radle ich sofort zum Polizeiposten. Das habe ich euch gar noch nicht erzählt. In Teslin kommt dieser Typ auf mich zu Andre Gutenberg ein Schweizer der hier Heliskiing anbietet. Ein kurzer Schwatz, dann meint er. In Watson Lake kenne er einen Polizisten. Ich könne sicher bei ihm unterkommen. Er organisiere das für mich. Damals dachte ich bla bla bla, habe mir aber vorgenommen es auszuprobieren. Tatsächlich werde ich hier von Jean-Michel erwartet. Ich könne bei ihm im Keller übernachten, ich soll mich wie zu Hause fühlen. Er mache jetzt Feierabend und koche dann etwas.
Fünf Sterne Hotel für mich. Was für ein Tag!

3. Juli 2015 Watson Lake
Sehr gut geschlafen, in einem Bett, Erholung pur. Danach Frühstück Deluxe mit Toast, Müsli und Kaffee. Besser kann man nicht in den Tag starten.
Danach einkaufen im Supermarkt, Proviant für den Cassiar Highway, ja ich gebe zu den Früchten konnte ich nicht widerstehen. Für Jean-Michel’s Kinder ein Eis und für ihn und seine Frau eine Flasche Rotwein. Kleines Dankeschön für die Kost und Logis.
Auf seinen Rat bin ich nach dem Einkaufen noch bei Stampeters Cabins vorbei, weil es von Schweizern geführt wird. Der Empfang war ein bisschen frostig. Sie hatte nicht die beste Laune und er wollte gerade ein Nickerchen machen. Peter und Susanne haben mich dann aber doch rein gebeten und Kaffee und Kekse aufgetischt. Susanne war mit haushalten beschäftigt, aber Peter wurde immer gesprächiger. Sein Werdegang:
– Schreiner
– Vollzugsbeamter im Gefängnis
– Bed & Breakfast Stampeters in Watson Lake
Eigentlich wollte er noch ein Restaurant, „aber weisch die Sieche hend mehr das ned erlaubt, wäg de Konkränz“.
Wir haben über Gott und die Welt geplaudert und die Zeit verging wie im Flug. „Hey danke besch verbi cho. Esch super gsi weder emol Schwyzerdütsch z schnorre. Ech wär gärn ab und zue echli onter Schwizer, so am 1. Auguscht, brötle, Bierli nä, domm Schorre, das fählt mehr“.
Ich habe mir dann noch das Sign-Forest angeschaut, die Hauptattraktion von Watson Lake. Entstanden ist der Sign-Forest 1942. Damals wurde der Alaska Highway gebaut. Ein Soldat hat dann das Sign von seinem Heimatort aufgehängt, weil er Heimweh hatte. So hat es angefangen und mittlerweile hängen dort Sign’s von er ganzen Welt.

Da Jean-Michel bei der Royal Canadian Mounted Police ist, kennt er sehr viele Leute in Kanada, aber auch in der USA. Ich soll ihm einfach sagen welche Route ich durch die USA nehme und er organisiert mir dann bei den entsprechenden Leuten eine Bleibe. Besser kann es irgendwie gar nicht laufen.

Mein Wunsch wurde tatsächlich erhört :-), mit dem Hagel habe ich aber nichts zu tun. Na ja, bei uns gab’s dafür eine Tornadowarnung mitten im Sommer, Strafe muss sein. Wirklich eindrücklichen deine Geschichten von der anderen Küste, macht immer wieder Freude zu lesen. So langsam stossen wir an der Ostküste auch in das Bärengelände vor. Wir sind nun in dem White Mountains und probieren auch mal einen Bären zu sehen. So gut wie du mit dem Spray sind wir aber nicht vorbereitet. Ich habe nur eine Bärenglocke, welche ich dem Bär um die Ohren hauen kann. Gute Weiterfahrt!
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Du lernst sehr spannende Menschen kennen. Deine Kulinarik wäre für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Frage. Wieviele Platten hattest du schon?
Halte dir weiterhin die Bären vom Hals.
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Hallo Bruno
Platten hatte ich noch keinen einzigen. Das Velo vom Velociped ist grosse Spitzenklasse. Wegen dem Essen, du kannst mir glauben, bin ich auch nicht immer happy. Aber der sehr limitierte Platz, keine Kühlmöglichkeit, da muss man sich eben sehr Einschränken. Das Gute daran, ein richtiges Essen schätzt man wieder und geniesst es umso mehr.
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Nicht nur Reich-Ranicki hätte seine Freude, auch Sergio Leone hätte applaudiert bei der Bären-Spray Szene! Remo, ich zieh den Cowboy-Hut vor deinem Abenteuer! Durch deine Ausführungen wird mir erst klar, dass deine Tour etwas mehr ist als nur ein kleines „Reisli“.
Wir haben hier übrigens eine kleine Hitzewelle. Das Thermometer will nicht mehr unter 30°C und dies seit Tagen. Ich hoffe das bleibt dir auf dem Velo erspart. Du müsstest ja literweise Flüssigkeit mitführen um deinen Motor zu kühlen.
Keep going!
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